Samstag, 15. August 2009

Die brasilianischen Gesetze zum Schutz der Umwelt sind mit die Besten der Welt, sie werden jedoch ignoriert!

Ein Interview mit dem Präsident der Organisation Funaguas, Judson Barras.


Die Organisation Funaguas führt einen juristischen Kampf gegen das internationale Unternehmen Bunge Alimentos. Das Unternehmen kontrolliert einen Großteil der Sojaproduktion in Maranahao und Piaui. „Von der Finanzierung des Anbaus, über die Ernte, bis zum Verkauf der Sojabohnen, liegt alles in den Händen des großen Unternehmens. Nachdem sich Bunge hier in Piaui niederließ, hat sich das Abholzen des Cerrados enorm ausgeweitet.“ erklärt uns Judson, der Präsident der Organsation. „Wir führen seit sechs Jahren einen Kampf gegen dieses Unternehmen und fordern, dass die Gesetze eingehalten werden.“


Brasilien hat gute Gesetze zum Schutz der Umwelt. Diese werden jedoch von den großen Unternehmen nicht akzeptiert. Laut Judson arbeiten die internationalen Firmen eng mit der lokalen Regierung zusammen. Diese Verstrickung führt dazu, dass Gesetze nicht eingehalten werden müssen, was sich im Falle der Soja- und auch der Zuckerrohrproduktion enorm auf die Umwelt auswirkt. „Die Firmen finanzieren die Wahlkämpfe der Politiker. Es ist ein korruptes System und erschwert unsere Arbeit enorm. Denn die lokale Regierung, die eigentlich zum Schutz der Region da ist, wurde zum Instrument der großen Unternehmen. So kann beispielsweise die Sojaproduktion im Namen der Bunge trotz prekären Umweltauswirkungen unter den gleichen Bedingungen weiterproduzieren.“


Die produzierten Sojabohnen der Region werden größtenteils ins Ausland exportiert und sind demnach für die Piaui kaum gewinnbringend. Holland beispielsweise, der größte Handelspartner, importiert brasilianische Sojabohnen und verarbeitet sie in Holland zu Futtermitteln weiter. „Dies hat etwas von kolonialen Strukturen: Brasilien exportiert die günstigen Rohstoffe und importiert für den eigenen Konsum die teuren Industrieprodukte. Dabei bleibt der dreckige Teil der Produktionskette in Brasilien“, äußert sich Judson. Denn die Sojaproduktion bringt viele negative soziale und ökologische Auswirkungen mit sich.


Die Sojaproduktion erfordert einen Boden mit geringem Säuregehalt. Die Flächen des Cerrados in Piaui sind jedoch durch den Monokulturanbau sehr sauer und einige Flächen sind bereits im Prozess der Desertifikation. So wird jährlich eine große Menge an Düngemitteln benötigt, um den Boden zu neutralisieren und den für die Produktion optimalen Säuregehalt aufrechtzuhalten. Eingesetzt wird ein Neutraldünger, eine basische Substanz der als Puffer dient.


Ein weiteres sehr ernstes Problem ist der große Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Da in den trockenen Monaten nicht genügend Regen fällt um die Pflanzen mit Wasser zu versorgen, findet die Sojaproduktion nur einmal im Jahr statt. Die Produzenten müssen somit die gesamte Jahresernte auf einmal einfahren. Um die maximale Produktionsmenge zu erhalten beanspruchen sie riesige Anbauflächen und setzen große Mengen an Pflanzenschutzmitteln ein. In der Anbauperiode zwischen Dezember und März werden die Pflanzen zwischen fünf und sechmal mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. „Sowohl der mehrfache Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, als auch die Bewirtschaftung enormer Flächen zur Produktionsoptimierung ist ein brutaler Prozess gegen die Umwelt“ sagt Judson. Denn mit dem Regen werden die Giftstoffe aus dem Boden ausgewaschen und gelangen mit dem Sickerwasser in die anliegende Gewässer. Von dieser Wasserverschmutzung sind vor allem Viehbauern betroffen, die in der Nähe von Großplantagen leben. Beispielsweise in einem Dorf namens „Sangue“, welches unterhalb einer großen Sojaplantage liegt, können fast keine Tiere mehr gezüchtet werden. Sobald es regnet fließen die Giftstoffe mit dem Sickerwasser in die Flüsse. Die Tiere trinken das Wasser und sterben. Die Folgen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes betrifft nicht nur eine kleine Region. Denn viele Dörfer und Gemeinden in der Nähe des Flusses Parnaíba und seinen Zuflüssen sind vom Monokulturanbau der Sojaproduktion betroffen.


Der Pflanzenschutzmitteleintrag hat auch direkte Auswirkungen auf die Fischpopulation. Bevor sich der Sojaanbau in dieser Region ausweitete, lebten die Personen fast ausschließlich vom Fischfang aus den Flüssen Parnaiba, Rio Preto und Rio Balsas. Heutzutage findet man kaum noch Fische in der Region. Der Pflanzenschutz-mitteleinsatz erschwert demnach das Überleben der Kleinbauern und verschlechtert die Situation der Fischer.
Auch die humane Gesundheit wird durch die toxischen Mittel gefährdet. Vor drei Jahren starben eine Reihe von Plantagenarbeitern, die Ursache wurde seitens der Regierung jedoch nie bekannt gegeben. Um einen Skandal zu verhindert beharrte die Regierung darauf, dass die Ursache des Sterbens unklar sei. „ Die Vereinigung der Landarbeiter des Bundesstaates Piauri hat Studien, die das häufige Auftreten von menschlichen Pflanzenschutzmittel – Vergiftungen in der Region bestätigen. Diese Studien wurden jedoch nie publiziert, sie werden seitens der Vereinigung bis heute als Druckmittel gegen die lokale Regierung eingesetzt, um sich beispielsweise finanzielle Vorteile zu verschaffen.“


Die öffene Diskussion über die Auswirkung des Soja- und Zuckerrohranbaus ist stark polarisiert. Auf der einen Seite stehen die internationalen Firmen, die, zusammen mit der lokalen Regierung die Meinung vertreten, dass der Bundesstaat Piauri durch den Großplantagenanbau profitiert und die Umweltauswirkungen als geringbedeutend einschätzen. Auf der anderen Seite stehen die brasilianischen NGO´s, wie beispielsweise Funaguas, die darum Kämpfen die ökologischen und sozialen Folgen des kontrollierten Anbaus durch Großunternehmen an die Öffentlichkeit zu tragen. Es gibt jedoch auch NGO´s, die die Meinung der internationalen Unternehmen unterstützen. WWF beispielsweise spricht sich durchaus positiv zu den Produktionen von Bunge Alimentos aus. „ Es ist ein weiteres großes Problem in Brasilien. Denn viele NGO´s werden von den Firmen finanziell unterstützt. So werden die Kampagnen der WWF in Piaui von der Bunge finanziert. Die Bunge zahlt der Organisation Geld, damit sie sich nicht negativ äußert.“


„Die Produktion von Soja in dieser Region, in den Händen des Unternehmens Bunge ist ein perverses System, ohne Überlegungen über die sozialen und ökologischen Folgen.“








Mittwoch, 12. August 2009

Ein Besuch in Coelho Neto




Coelho Neto ist eine Kleinstadt, am Rio Parnaíba gelegen, mit ca. 45 000 Einwohnern. Schon in den 60er/70er Jahren kamen Firmengruppen der Agrarindustrie hierher, um Zuckerrohr zur Produktion von Zucker und Alkohol anzubauen und Bambu zu pflanzen, eine Pflanze aus der sich Papier herstellen lässt. Als sie sich ansiedelten, gab es noch keine Gewerkschaft vor Ort, die diesen Prozess kritisch begleiten konnte. Diese gründete sich erst 1974. Anders also, als in der Gemeinde in Sao Benedito, die sich bis heute gegen den Aufkauf ihrer Flächen wehrt und dabei von der örtlichen Gewerkschaft unterstützt wird.

Seit 2006 hat die Papierfabrik in Coelho Neto geschlossen und die Ernteerträge der Firma gehen direkt nach Recife zur Weiterverarbeitung. In der Zuckerrohrindustrie liegt heute der Schwerpunkt auf der Gewinnung von Ethanol. Für den Anbau wurden damals weite Flächen gerodet. Heute erstreckt sich das Zuckerrohr über eine Fläche von … .

Früher dauerte die Ernte sechs Monate lang. Heute sind es nur noch drei, weil die Böden ausgelaugt sind und nicht mehr soviel wächst. Um das Zuckerrohr zu ernten, werden als erstes die messerscharfen Blätter verbrannt. Sie bleiben auf den Feldern als Dünger liegen. Die bei der Verbrennung entstehende Asche wird vom Wind bis an die Kleinstadt Coelho Neto, die von den Anbauflächen umschlossen ist, herangetragen. Erst dann wird das Zuckerrohr per Hand von Zeitarbeitern geschnitten. Auf Grund der Unebenheit der Böden in der Region kann für diese Arbeit keine Maschine eingesetzt werden. Da kleinste Mikroorganismen bei tropischen Temperaturen den Zucker (Saccharose) in der Pflanze in kurzer Zeit abbauen, muss das geschnittene Zuckerrohr innerhalb von vierundzwanzig Stunden zur Weiterverarbeitung in die Fabrik gebracht werden.

Nach der Ernte bleibt eine triste Landschaft von abgebrannten Böden zurück, auf denen das neue Zuckerrohr heranwächst. Die Quellen, in denen das Grundwasser aus der Erde tritt, um die Zuflüsse des Rio Parnaíba mit Wasser zu speisen, befinden sich mitten in den Plantagen. Dabei wurde der Mindestabstand von fünfzig Metern missachtet. Die Zuflüsse des Parnaíbas, die sich durch die Felder ziehen und auch der Rio Parnaíba selber, dienen dem Zuckerrohrunternehmen zur Bewässerung ihrer Felder. Teilweise werden dafür auch Wasserläufe umgelegt. Das hat zur Folge, dass vor allem die Zuflüsse weniger Wasser führen und es ist stark anzunehmen, dass das Wasser durch den Einsatz von Pflanzenschutzmittel verunreinigt ist. Den Arbeitern auf den Plantagen und auch den nicht weit von den Plantagen von Subsistenzwirtschaft lebenden Gemeinschaften, dienen die Quellen schon lange als Trinkwasser.

Mittwoch, 5. August 2009

„Ohne Landbesitz keine nachhaltige Entwicklung!“

Ein Gespräch mit Lúcia, der Gewerkschaftlerin der Landarbeiter und Landarbeiterinnen (STTR – Sindicato dos Trabalhadores e Trabalhadoras Rurais) der Gemeinde São Benedito do Rio Preto.

Nicht die große Agrarindustrie, sondern die familiäre Landwirtschaft bietet der ländlichen Bevölkerung eine nachhaltige Zukunft, versichert uns Lúcia, die Gewerkschaftlerin der Landarbeiter und Landarbeiterinnen von São Benedito do Rio Preto. In der familiären Landwirtschaft bestellt die Familie, das heißt Vater, Mutter und ihre Kinder das eigene Feld mit dem Ziel der Selbstversorgung und dem Verkauf von überschüssigen Produkten auf dem lokalen Markt. In der Region des Baixo Parnaíba, zu der auch die Gemeinde São Benedito gehört, ließen sich in den 80er Jahren die ersten Firmen der Agrarindustrie nieder. Zunächst kamen brasilianische Firmengruppen, wie Marflora und João Santos, um Eukalyptus für die Papierproduktion anzupflanzen. Sie kamen aus den Süd-Staaten Rio Grande do Sul, Santa Catarina, Paraná, wo das Potential für Agrarflächen zum Großteil schon ausgeschöpft war. Der Bundesstaat Maranhão war daraufhin auf Grund seiner großen unbestellten Flächen und fruchtbaren Böden für die Unternehmen interessant geworden. Später kamen ausländische Firmen aus Holland und Japan und begannen mit dem Anbau von Soja. Die Zuckerrohrindustrie, mit dem Ziel der Ethanolproduktion, versucht seit längerem in der Region Fuß zu fassen, stößt aber auf Widerstand der lokalen Bevölkerung. Die Bevölkerung der Gemeinde São Benedito weigert sich bislang ihre Flächen an Firmen zu verkaufen. Der Schutz der Ländereien der Kleinbauern ist für die Gewerkschaft eine der größten Errungenschaften. Lúcia vertritt die Meinung: „Ohne Landbesitz keine nachhaltige Entwicklung!“ Zumindest nicht zugunsten der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen. Denn der Verkauf einer Fläche kann auch gleichzeitig die Zerstörung der Subsistenzwirtschaft von bis zu fünfzig Familien, die sich über die Jahre auf den Böden eine Existenz aufgebaut haben, mit sich bringen. Die Vertreibung der Familien, die oft fünf bis zwölf Kinder ernähren, stellt ein großes Problem dar. Sobald ihnen die Lebensgrundlage auf dem Land entzogen wurde, emigrieren viele in die urbanen Zentren. In São Benedito ist der einzige Arbeitgeber die Verwaltung, es gibt kaum Industrie, die eine Ausbildung bieten könnte. So ziehen die landlosen Familien in die Städte, ohne brauchbare Qualifizierung für eine Arbeit in der Stadt.

Durch São Benedito fließt der Fluss „Rio Preto“. Seit der Niederlassung der Agrarindustrie in seiner unmittelbaren Nähe, hat der Fluss einige Veränderungen erfahren. In den letzten siebzehn Jahren, die Lucía in São Benedito wohnt, sank der Wasserspiegel stetig.
Das hängt ihrer Meinung nach vor allem mit der Art und Weise zusammen, nach der die Unternehmen vorgehen, um ihre Anbauflächen zu präparieren. Ihre großen Maschinen „holzen alles ab, ohne Rücksicht„. Die Quellen der Nebenflüsse des Rio Preto sind durch den Verlust ihrer Schatten liefernden Vegetation starken Sonneneinstrahlungen ausgesetzt und trocknen aus. Das einzige Ziel der Unternehmen ist die Gewinnmaximierung. Deshalb interessieren sie sich nicht für die Umwelt und die nachhaltige Entwicklung der Region, schlussfolgert Lúcia.
Durch den Regen werden außerdem Pflanzenschutzmittel und Dünger, der zur Wiederaufbereitung des Bodens beim Monokulturanbau eingesetzt wird, in den Fluss gespült. Gemeinsam mit der abnehmenden Wasserführung hat die Verschmutzung des Gewässers starke Auswirkung auf die Fischpopulation. Im Laufe der Jahre hat sich die Fischmenge im Rio Preto stark verringert. Gemeinsam mit dem Anbau von Reis, Bohnen, Kartoffeln und Maniok, welches zu Farinha weiterverarbeitet wird, gehört Fisch zu den Grundnahrungsmitteln der Kleinbauern der Gemeinde São Benedito.

In Coelho Neto, einer Kleinstadt in der Nähe von São Benedito, haben sich Unternehmen der Zuckerrohrindustrie schon seit längerem erfolgreich niedergelassen. Hier werden die Auswirkungen des Zuckerrohranbaus auf Natur und Mensch deutlich. Die auf den Plantagen eingesetzten Pflanzenschutzmittel gelangen über den Wind in die dort ansässigen Gemeinden und vergiften Hunde, Hühner etc.. In der familiären Landwirtschaft hingegen werden keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Zur Verbesserung der Bodenqualität wird lediglich natürlicher Dünger in Form von Gülle verwendet.

Die Agrarindustrie bringt nur zeitweise Arbeit für die Gemeinden. Die Firmen stellen die Landarbeiter meist lediglich zur Säuberung der Böden ein. Ihre Aufgabe ist es die Äcker per Hand von Pflanzenresten, wie zum Beispiel Wurzeln, zu befreien, die von den großen Landmaschinen nicht entfernt werden können. „Familiäre Landwirtschaft bringt zwar weniger Gewinn, aber ernährt langfristig“, sagt Lúcia. Eine Landmaschine ersetzt die Arbeit von ca. zwanzig Plantagenarbeitern. „Damit sind wir nicht einverstanden. Wir wollen dem Landarbeiter einen sicheren Arbeitsplatz garantieren und nicht zulassen, dass ihm das Recht auf Arbeit genommen wird.“

Samstag, 1. August 2009